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Silvio Berlusoni ist gestorben. Er war ein überzeugter Befürworter der „Eucharistischen Ökumene“

 

Silvio Berlusconi starb heute, am 12. Juni 2023, in der Mailänder Klinik San Raffaele an chronischer Leukämie. Der 86-Jährige hinterlässt eine große Lücke. Ich bin ergriffen und traurig.

Silvio Berlusconi war der mächtigste Mann Italiens in den vergangenen 29 Jahren. 1994 wurde er erstmals Ministerpräsident. Diese Aufgabe übernahm er von 1994 bis 2011 vier Mal. Insgesamt war er 3336 Tage im Amt als Ministerpräsident. Staatspräsident konnte er zu Beginn des Jahres 2022 nicht werden. Seit der letzten Parlamentswahl im Herbst 2022 bekleidete er das ehrenvolle Amt des Senators.

Silvio Berlusconi arbeitete sich aus einfachen Verhältnissen als Sohn eines Bankangestellten bis nach oben und war bei seinem Tod Milliardär. Seine Karriere in der Baubranche, in den Medien, in der Politik und im Sport kann kaum mit dem Aufstieg einer anderen Persönlichkeit verglichen werden. Den US-amerikanischen Slogan „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ hat Silvio Berlusconi bis zum Milliardär gesteigert. Ich halte Silvio Berlusconi für den größten Politiker vor und nach der Wende zum zweiten Jahrtausend in Italien. Er wird eines Tages vielleicht einmal mit Caesar oder Augustus verglichen werden.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als Silvio Berlusconi das erste Mal 1994 zur Wahl stand. Im erweiterten Familienkreis wurde im ländlich geprägten Franken von den Jüngeren heftig diskutiert, ob ein „solcher Populist“ Politiker oder gar Regierungschef in Italien werden dürfe. Silvio Berlusconi hat in guter alter römischer Tradition gezeigt, dass sich politische Rhetorik und politische Aufgabenbewältigung nicht ausschließen. Auch in meinem Zweitstudium der Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin wurde über den italienischen Populisten Berlusconi 2007 diskutiert. Ich habe in einem Referat die Ergebnisse seiner Wirtschaftspolitik vorgestellt(1) und alle Kritik verstummte, als wäre sie peinlich gewesen. Silvio Berlusconi konnte wirtschaftlich und politisch wirklich überzeugen. Er hat bewiesen, dass sich Populismus und gute Politik für ein Land nicht ausschließen müssen. Er hat die populistische Rhetorik aus der Schmuddelecke geholt, in die sie nach dem Ende des Nationalsozialismus in Deutschland gestellt wurde. Er hat dem Populismus die Kraft wiedergegeben, die er immer hatte. Silvio Berlusconi hat sich immer für die „kleinen Leute“ interessiert. Er wollte sie in die Politik hineinholen. Er wollte etwas für sie tun. Er wollte, dass sie Politik verstehen. Das hat er geschafft. Trotz der so häufig wechselnden Regierungskoalitionen nehmen die Italienerinnen und Italiener am politischen Geschehen Anteil und sind erstaunlich gut informiert, meistens deutlich besser wie die Deutschen, die sie so gerne arrogant und von oben herab kritisieren.

Ende der 1990er Jahre fuhr ich mit einem Mietwagen mit italienischem Kennzeichen im Urlaub auf Sardinien an der Nordküste entlang. Eine gut geteerte Straße bog nach links ab, die nicht auf der Karte eingezeichnet war. Ein Straßenschild war nicht zu sehen. Ich fragte mich, wohin diese Straßen führen würde und bog links ab. Ich fuhr einige hundert Meter. Da standen plötzlich wie von Geisterhand bewirkt einige Männer vereinzelt in der Macchia. Es schien, als wären sie wie in einem James-Bond-Film aus dem geöffneten Boden mit einem Aufzug heraufgefahren worden. Die Männer wirkten irritiert und ratlos. Ich erkannte sofort, dass ich sie verunsicherte. Einer ruderte mit den Armen, was ich als Zeichen verstand, umkehren zu sollen. Ich kurbelte das Fenster herunter und rief auf Italienisch, dass ich Deutsche sei, dass ich nicht wisse, wo diese Straße hinführen würde und dass ich selbstverständlich gerne sofort dem Wunsch, dass ich umkehren solle, nachkommen werde. Jahre später wurde in einer italienischen Nachrichtensendung beiläufig erwähnt, dass Silvio Berlusconi an der Nordküste Sardiniens ein Ferienhaus besitzt, und es wurden Fotos gezeigt. Vielleicht führte diese gut geteerte Straße zu diesem Ferienhaus und vielleicht waren die Männer, die wie aus einem James-Bond-Film aussahen, seine Leibwächter.

Silvio Berlusconi hat in den vergangenen Jahrzehnten das Alltagsleben in Italien am Laufen gehalten. Es ist nicht bekannt, wer dafür gesorgt hat, dass angekündigte Streiks der Gewerkschaften nicht ausgerechnet zu den Feiertagen den Verkehr ausbremsten oder dass die Gewerkschaften hohe Feste der Päpste, zu denen traditioneller Weise Tausende strömen, nicht lahmlegten. Es ist nicht bekannt, wer die Müllabfuhr in Süditalien am Laufen hielt, damit sich die Müllberge in den Städten nicht stapelten. Wer könnte es gewesen sein, der in den vergangenen drei Jahrzehnten dies alles bewirkte? Wer war über drei Jahrzehnte durchgängig präsent in der italienischen Politik? Mir fällt nur Silvio Berlusconi ein. Sein Netzwerk war so groß und umfassend, dass er nur einen Satz sagen musste und ein Problem neigte sich dem Ende zu.

Ich kann mich nicht erinnern, dass es in den vergangenen Jahrzehnten Probleme gegeben hat, wenn Papst Johannes Paul II., Papst Benedikt XVI. oder Papst Franziskus eine feierliche Messe in Italien zelebrieren wollten. Silvio Berlusconi war ein großer Beschützer der römisch-katholischen Kirche und ein großer Schatz.

2006 hat sich Silvio Berlusconi bei einem Essen mit Unternehmern als „Jesus Christus der Politik“ bezeichnet. Kurz vor seinem Tod tat ihm dieser Satz sicher leid. Vielleicht hat sich damals die Glaubenskongregation im Pontifikat von Papst Benedikt XVI., dem ehemaligen Präfekten der Glaubenskongregation, überlegt, aktiv zu werden. Jesus Christus hat dieser Satz sicher nicht gestört. Es gab keine Verwechslungsgefahr. Niemand hätte den Italiener Silvio Berlusconi wirklich für Jesus Christus gehalten (Stichwort: „Bunga-Bunga-Partys“). Zudem starb Jesus Christus, wie weltweit allgemein bekannt ist, am Kreuz, ein Lebensende, das Silvio Berlusconi erspart blieb.

Am 14. Juni 2008 konnte ich im apulischen Santa Maria di Leuca die erste inoffizielle Feier der „Eucharistischen Ökumene“ mit Papst Benedikt XVI. feiern. Dieser Tag jährt sich am 14. Juni 2023 zum 15. Mal. Genau an diesem Tag wird im Mailänder Dom das Staatsbegräbnis für Silvio Berlusconi stattfinden.

Silvio Berlusconi war ein begeisterter Befürworter der „Eucharistischen Ökumene“. Mit seinem Tod verliert mein Projekt einen starken Beistand. Nach der ersten inoffiziellen Feier der „Eucharistischen Ökumene“ gab es Pläne für eine offizielle Feier in Rom, die vermutlich in San Giovanni in Laterano stattgefunden hätte. Papst Benedikt XVI. hatte die Zustimmung vom Kardinalskollegium und von der internationalen Bischofskonferenz eingeholt. Letztere hatte einstimmig für eine Eucharistiefeier von Papst Benedikt XVI. mit mir als Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern (damals „außer Dienst“, heute „ohne Dienstauftrag“) votiert. Belege dafür finden sich in den Akten des Vatikans. Papst Benedikt XVI. hat auch Gespräche mit dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi geführt. Dieser war begeistert von meinem Gedanken, dass der 29. Juni als Feiertag in Italien wieder eingeführt werden könnte und als „Pietro e Paolo“ zukünftig an die gemeinsame Eucharistiefeier eines römisch-katholischen Geistlichen, der sich auf Petrus bezieht, und einer evangelisch-lutherischen Geistlichen, die sich auf Paulus bezieht, erinnern hätte können. „Peter und Paul“ am 29. Juni ist der Tag der Priesterweihe der beiden Brüder Georg und Joseph Ratzinger, die 1951 im Freisinger Dom gefeiert wurde. Bekanntlich kam es nicht dazu, da mein Körper von zahlreichen Körperverletzungen 2008 und 2009 schwer gezeichnet war, da es mehrere Mordversuche an mir gegeben hatte und da es Morddrohungen in Bezug auf mich gab.

Im Jahr 2011 war noch nicht klar, dass Papst Benedikt XVI. zwei Jahre später zurücktreten würde, ohne dass es zu der ersten offiziellen Feier der „Eucharistischen Ökumene“ gekommen ist. Am 1. Mai 2011 sprach Papst Benedikt XVI. seinen Vorgänger Papst Johannes Paul II. vormittags auf dem Petersplatz selig. Ich war nach Rom gereist, um daran teilzunehmen und hatte ein Zimmer in einem Hotel gebucht, das trotz seiner hervorragenden Lage und Ausstattung überraschend preiswert war. Nach der Seligsprechung kreiste nachmittags ein Hubschrauber über dem Hotel. Am frühen Abend ging ich in die Lobby. Dort hörte ich, wie ein Italiener mit einer sonoren Stimme einige wenige Sätze sagte. Ich wartete in der Nähe der Rezeption und musste feststellen, dass außer mir niemand im Hotel anwesend war. Da kam ein relativ kleiner, trotz der Wärme sehr gut gekleideter Italiener auf mich zu und ging direkt neben mir vorbei. Dabei streichelte er meinen Oberarm. Ich erkannte Silvio Berlusconi nicht sofort, da ich vorher nur Fotos im Fernsehen gesehen hatte und ihn für größer hielt. Es ging alles sehr schnell. Schon war er wieder weg. Mir war klar, ich hatte Silvio Berlusconi persönlich gesehen. Ich bin bis heute sehr stolz darauf, dass ich Silvio Berlusconi persönlich getroffen habe und dass er meinen Namen kannte.

In den Jahren danach geschah es einige Male, dass ich an Bushaltestellen in Rom in der Nähe des Palazzo Madama warten musste und eine Limousine, die vorbeifuhr, bremste direkt vor mir ab, fuhr sehr langsam an mir vorbei und beschleunigte anschließend wieder. Ich nehme an, dass Silvio Berlusconi in den Limousinen saß. Ich werde es wissen, wenn nun keine Limousine mehr vor dem Vorbeifahren abbremst.

Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, dass der große italienische Medienunternehmer und Politiker Silvio Berlusconi meinen Namen kannte. Ich werde ihn vermissen. Italien weist eine Lücke auf, die so schnell niemand schließen wird. Von Silvio Berlusconi habe ich viel über die Politik und die Gesellschaft in Italien gelernt. Ich finde sein Lebenswerk außerordentlich beeindruckend. Meiner Meinung nach war er ein treuer und verlässlicher Mann. Seine hohe Redekunst brachte mich immer wieder zum Erstaunen. Seine Popularität in Italien ist tief in den Herzen der Italienerinnen und Italiener verankert. Kein Politiker in den vergangenen 29 Jahren hat mehr für Italien getan. Sein Standvermögen gegenüber der italienischen Justiz war legendär. Manche Prozesse zogen sich über zehn Jahre hin, bis es zu einem Freispruch kam. Silvio Berlusconi beugte sich der Justiz. Seine Verurteilung zu Sozialstunden leistete der über 80-Jährige in einem Heim für Demenzkranke ab. Silvio Berlusconi hatte trotz seiner finanziellen Größe immer ein Herz für die „kleinen Leute“. Er wird Italien sehr fehlen.

Silvio Berlusconi war in den vergangenen 29 Jahren „der“ Politiker Italiens. 15 Jahre von 29 Jahren unterstützte er mein Projekt der „Eucharistischen Ökumene“. Silvio Berlusconi wollte den Frieden zwischen Römisch-Katholischen und Evangelischen. Er wollte, dass die Evangelischen den Papst anerkennen. Er wollte, dass Frauen zu Priesterinnen in der römisch-katholischen Kirch geweiht werden können. Silvio Berlusconi, der Liebhaber alles Weiblichen, liebte den Gedanken, dass Frauen in der römisch-katholischen Kirche als Geistliche gleichberechtigt anerkannt werden.

Ruhe in Frieden, Silvio Berlusconi. Danke für alles. Alles Liebe. Ciao, Cavaliere.

 

Elke Göß

 

(1) Vgl. Göß Elke (2007): Die Europa- und Außenpolitik Silvio Berlusconis (2007), in: dies. (Hg.): Zukünftig liberal. Grenzmarkierungen in der Politik, Liberale Gesellschaftsanalyse, Band 4, ebook, 19. Mai 2017, S. 108-123

 

12. Juni 2023

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Update: 2. Oktober 2023

Installation: 10. Mai 2018

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